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Eröffnung: Fr, 16.05.2025 | 20 Uhr
Großer Saal
17.05.2025 - 13.07.2025

Mikołaj Sobczak „Moon, Sun, Mercury“

Mikołaj Sobczaks Ausstellung Moon, Sun, Mercury versammelt eine fragmentierte Geschichte von Widerstand, Propaganda und Überleben. In drei großformatigen Gemälden und subtilen Fußnoten schöpft Sobczak aus kommunistischen Plakaten, esoterischen Traditionen, queeren Archiven und zeitgenössischen Analysen des Techno-Feudalismus, um ein Bild von Macht und ihrem Zerfall zu entwerfen.

Die Ausstellung folgt keinen großen historischen Erzählungen oder mythischen Zeitlinien. Stattdessen inszeniert Sobczak eine Choreografie von Protagonist:innen – queere Aktivist:innen, Exilierte, Revolutionär:innen und Gesetzlose –, deren verflochtene Leben die Brüche der Geschichte und die unvollendete Arbeit des Widerstands offenlegen.

Im Zentrum der Ausstellung steht Sun, eine Arbeit, die die ästhetischen und politischen Dimensionen des magischen Realismus thematisiert. Hier erscheint magischer Realismus nicht als Flucht, sondern als Überlebensstrategie angesichts von Gewalt und systemischer Auslöschung. Sobczak versammelt eine lebhafte Gruppe: eine revolutionäre Frau aus der kommunistischen Propaganda, die in der Haltung des Tarot-Magiers erscheint; Goethe, der als Leuchtturm gegen die reaktionäre Romantik beschworen wird, wie Thomas Mann es einst forderte;  und giftige Pflanzen wie Alraune und Tollkirsche, historische Mittel des Widerstands gegen feudale Herrschaft.

Während Sun eine Landschaft des Widerstands zeichnet, taucht Moon in ein Feld der Desorientierung ein. Hier inszeniert Sobczak eine Kollision zwischen kapitalistischer Ikonografie, faschistischen Grotesken und humanitären Krisen der Gegenwart. Der „Ritter des Kapitalismus“, angelehnt an Luc Boltanskis und Ève Chiapellos Analyse der sich wandelnden Legitimationen des Kapitalismus, verwandelt sich in ein monströses Amalgam aus faschistischen Karikaturen von George Grosz und zeitgenössischen technofeudalen Motiven. Sobczaks Iron Man schließt ein zerbrochenes Fass mit der Aufschrift „Kapitalismus“ in einen faschistischen Ring ein und visualisiert so den von Theoretikern wie Przemysław Wielgosz beschriebenen Übergang von neoliberaler Deregulierung zu autoritärer Erstarrung.

Mercury verschiebt den Fokus auf die Mechanismen des Denkens: die kognitiven Karten, auf denen Macht sich selbst reproduziert, und die Risse, in denen alternative Wissensformen überleben. Die Figur von Eve Adams, der polnisch-jüdischen Immigrantin, deren bahnbrechende lesbische Schriften zu ihrer Deportation aus den USA und ihrem Tod in Auschwitz führten, verankert Sobczaks Auseinandersetzung mit Überwachung, Moral und staatlicher Gewalt. Margaret Leonard, die Beamtin in Zivil, die Adams verhaftete, taucht nicht als historische Fußnote auf, sondern als aktive Akteurin in einem Kontinuum von Kriminalisierung und Auslöschung. Catherine Deneuve verkörpert in ihrer Rolle in Belle de Jour die faschistische Spaltung weiblicher Identität in Heilige und Hure. Stanisław Chmielewski – dessen Spitzname „Dobry Stasio“ („Guter Stasio“) nicht nur persönliche Herzenswärme, sondern auch ein leises Heldentum beschwört – gehörte zu einem Netzwerk homosexueller Männer, das gefälschte Dokumente herstellte und Juden aus dem Warschauer Ghetto schmuggelte. Narzissmus, verstärkt durch die Ökonomien der sozialen Medien, erweist sich heute als ein neues Terrain, auf dem Überwachung und Selbstinszenierung ineinander übergehen.

Die Malerei wird zum Werkzeug und zur Waffe zugleich und legt offen, wie Geschichte geschrieben, verzerrt und manchmal auch zurückgewonnen wird. Der Maler selbst ist nicht losgelöst von dieser Geschichte; er ist in sie verwickelt, gefangen zwischen den Kräften, die er sichtbar machen will, und jenen, die ihn unausweichlich einholen.

Moon, Sun, Mercury ist ein Akt der Gegen-Geschichtsschreibung – und, dringlicher noch, eine Übung in antifaschistischer Ästhetik für eine Gegenwart, in der der Kampf um Bilder, Narrative und Körper längst nicht beendet ist.

Kuratiert von Mirela Baciak.

Eröffnung: 16.05.2025, 20:00 Uhr
Performance: Anti-Fascist Art Manifesto von Mikołaj Sobczak
im Rahmen von wild thinX: nonkonformistische Praktiken in Architektur, Design und Kunst

Mikołaj Sobczak (*1989, Poznań) lebt und arbeitet zwischen Warschau und Düsseldorf. Sobczak arbeitet vor allem mit Malerei und Video, wobei er performative Elemente einbezieht und surreale, collagierte Erzählungen schafft, die die Geschichte mit queeren Aktivisten als zentralen Figuren neu erfinden. Sobczak ist Absolvent der Akademie der Schönen Künste in Warschau, der Kunstakademie Münster und der Rijksakademie in Amsterdam. Seine Ausstellungen fanden statt im Ludwig Forum Aachen, HKW Berlin, Bozar Brüssel, der Kunsthalle Münster, dem MoMA Warschau und der Whitechapel Gallery, London.

Dank an Paulina Tokarz-Mazurek, Florens de Wyl, Yaniv Kaufman, Capitain Petzel Galerie. 

Bild oben: Mikołaj Sobczak, Moon, Sun, Mercury, 2025, courtesy of the artist.

In Auftrag gegeben und produziert vom Salzburger Kunstverein und ko-finanziert vom Ministry of Culture and National Heritage, Republic of Poland.